Kappa – 2 x 90° Winkel, 1987, Ulmenholz und Plexiglas; Leihgabe des Förderkreises für die Kunsthalle Mannheim e.V. seit 2001; gestiftet von Dr. h.c. Heinrich Vetter, Ilvesheim; © VG Bild-Kunst, Bonn 2013
Vera Röhm · Kappa – 2 x 90° Winkel
14. August 2017
Studie zum Catcher, Vorderansicht, 1963/66, Filzstift in Schwarz; © Gustav Seitz Stiftung, Hamburg
Gustav Seitz · Studie zum Catcher
16. August 2017

Hans Scheib
Fliegen

 
Fliegen, 1988, Holz, teilweise bemalt, und Stahl (Sockel); Leihgabe des Förderkreises für die Kunsthalle Mannheim e.V. seit 1989; © Hans Scheib, Kunsthalle Mannheim
Lebt und arbeitet in Berlin

1949 geboren in Potsdam
1971 -1976 Studium der Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
ab 1976 Bildhauer in Berlin / Ost
ab 1985 Bildhauer in Berlin / West
1995 Kunstförderpreis der Akademie der Künste, Berlin
2004 Studienaufenthalt in der Villa Romana, Florenz

Die Skulpturen Hans Scheibs sind meist aus Holz gefertigt, das er im Abrissschutt oder auf Müllhalden findet. Als Werkzeug benutzt er Beil und Motorsäge, deren rohe Arbeitsspuren die Wirkung der Skulpturen wesentlich mitbestimmen. Seine überwiegend weiblichen Gestalten, die häufig dem mythischen Bereich entstammen, erscheinen sperrig, spröde und ausgezehrt. In ihrer Expressivität zeigen sie Parallelen zu den Holzskulpturen der Brücke-Maler. Auch die Visualisierung von unterschiedlichen Gefühlen und existentiellen Erfahrungen wie Freude oder Trauer, Not, Angst, Schmerz und Tod erweist sich als verwandt. Die Skulptur Fliegen zeigt eine nackte, stehende weibliche Gestalt, über deren weit ausgebreiteten Armen ein aus einzelnen, in Weiß und Rottönen bemalten Holzbrettern gefügtes „Gewand“ hängt, das an Flügel erinnert. Sowohl der Kopf mit den geschlossenen Augen und der knabenhaft schmale, ausgemergelte Körper der Frau sind mit roter und braunschwarzer Farbe, die auf Verwundung und Versehrtheit hinweist, sparsam bemalt. Dieser Eindruck wird durch die grobe Maserung und Struktur des Holzes noch verstärkt: Dem Auge bietet sich dergestalt kein schöner, wohl geformter Frauenkörper dar, sondern ein von Hunger, Krankheit und Verletzung gezeichneter. Die Armhaltung suggeriert die Vorstellung, als wolle sich die Figur jeden Moment von ihrem Sockel emporschwingen. Doch steht der Gedanke an einen befreienden Flug in Kontrast zu der lädierten Körperlichkeit der Frauengestalt. Die „Flügel“ hängen schwer und steif an ihr, die zueinander gekehrten Füße verraten Unsicherheit, der gesenkte Kopf Demut, aber auch Kontemplation und Konzentration.

IH